Erwirbt man ein Weingut, dessen Vorgeschichte man nicht kennt, so gleicht das dem Kauf einer Wundertüte. Das gilt im Besonderen für das Erdreich. Auch da lassen sich die Überraschungen von aussen nicht sehen. Zwecks Analyse entnehmen wir deshalb Bodenproben. Gemeinsam brüten Michel und ich über den Ergebnissen. Da gibt es Nährstoffe, die sind unnötigerweise im Überfluss vorhanden. Andere wiederum zeigen sich nur spärlich. Bei den Spurenelementen herrscht gar ein wildes Durcheinander. Jetzt geht’s hinaus in die Reben. Bodenstruktur und Bodenieben prüfen wir vor Ort. Wir vermuten ähnliche Überraschungen. In der Tat, die Oberfläche ist derart komprimiert und verdichtet, dass sie einer Betonpiste gleicht. Das Eindringen von Regenwasser ist hier unmöglich. Wir graben weiter. Vergeblich suchen wir nach Würmer und Käfer. Da ist nichts, gar nichts, ausser knochentrockenem Ton und stahlhartem Kalkgestein. Das Erdreich scheint tot.
Wie um alles in der Welt kann sich die Rebe hier zurechtfinden? Wie gelingt es ihr, trotz diesem wilden Ungleichgewicht, Trauben hervorzubringen? Die Antwort ist einfach. Die Rebe ist auf Nachwuchs programmiert. Wird sie von uns nicht sorgfältig genug begleitet, so produziert sie einfach wild vor sich hin. Ich bezeichne diese Trauben als «Reproduktionstrauben». Sie dienen dem Erhalt der eigenen Spezies und sind in unserem Falle für die Kelterung ungeeignet. Für unsere Weine benötigen wir Trauben von ausserordentlicher Qualität. Die Vorgefundenen Bodenverhältnisse hingegen erlauben das nicht. So beschliessen wir, unsere Böden in ihr ursprüngliches Gleichgewicht zurückzuführen. Wir wissen, dass es Jahre dauern wird, um dieses Ziel zu erreichen. Mittlerweile sind zwanzig Jahre vergangen...
Heute ist die Bodenbearbeitung Hauptbestandteil unserer Arbeit. Im Jahreswechsel wird jede zweite Rebengasse eingesät. Regelmässig öffnen wir die Böden. Jetzt gelangt Sauerstoff in das Erdreich und das Regenwasser kann in die tieferen Erdschichten Vordringen. Wasser und Sauerstoff gehören zu den Eckpfeilern biologischer Vorgänge, die im Untergrund ablaufen.
Bodeninhaltstoffe werden derart umgewandelt, dass sie schliesslich als Nährstoffe durch die Rebe aufgenommen und verwertet werden können. Es dauert denn auch nicht lange, bis sich Käfer, Würmer und all die gewohnten Krabbeltiere zurückmelden. Sie sind jetzt für das Bodenleben verantwortlich.
Gesunde Böden sind aber auch für störende Gräser und Unkräuter ein willkommenes Tummelfeld. Während der Wintermonate weiden deshalb unsere Raioie-Schafe in den Reben. Minutiös putzen sie alles weg, was nach frischem Grün aussieht. Mit ihrer «Hinterlassenschaft» sorgen sie für natürliche Düngung. Für uns erübrigt sich so die Ausbringung von industriell produziertem Kunstdünger. Sobald die Rebe austreibt, haben die Schafe hier nichts mehr zu suchen. Freudvoll würden sie die frischen Triebe wegknabbern und uns dadurch die Ernte zunichtemachen. Jetzt ist wiederum der Mensch an der Reihe.
Mit speziellen Gerätschaften werden Gräser und Unkräuter geknickt und niedergewalzt. Den Rest besorgt die Sonne des Südens. Ihre sengende Hitze lässt das umgelegte Grünzeug verdorren. Jetzt steht dem ungestörten, ausgewogenen Wachstum der Rebe nichts mehr im Wege. Und das ganz ohne chemische Unkrautvertilgungsmittel. Die Bodenbearbeitung macht’s möglich. Sie ist damit wichtige Voraussetzung für vorzügliche Trauben. Trauben, weiche die Energie von Boden, Wetter, Standort und Sortencharakter in sich tragen. Diese Trauben, sind die Grundlage für unsere naturbelassenen Weine. Somit steckt in allen unseren Weinen ein Teil jener Entschlossenheit, die Kraft und Mittel rechtfertigt, unseren Weinbergböden ihr ursprüngliches, natürliches Gleichgewicht zu erhalten. Freuen Sie sich daran!