Die Geschichte des «Le Quotidien»

Der Begriff «quotidien» ist ein Tausendsassa. Der Franzose liebt dieses Wort über alles. In jedem Gespräch, in jedem Text taucht es auf. Plötzlich, unerwartet ist es da! Einem Verwandlungskünstler gleich, wechselt es Sinn und Bedeutung.

Im einfachsten Sinne steht quotidien für «alltäglich, jeden Tag». «Mon quotidien» hingegen ist nicht mein Alltag, sondern meine Tageszeitung. Mein «train-train quotidien» ist nicht die tägliche Zugsverbindung, sondern der Alltagstrott. «Je le prends au quotidien» heisst nicht, ich tue das wie üblicherweise, sondern bedeutet, das ist für mich ganz selbstverständlich. Der «ronron quotidien» ist nicht das liebevolle Schnurren meiner Katze, sondern langweilige Routinearbeit. «Changer mon quotidien» heisst nicht die Tageszeitung wechseln, sondern bedeutet aus dem Alltagstrott ausbrechen. Oh Gott!

In sprachlicher Hinsicht ist die Virtuosität des Franzosen einmalig. Es gelingt ihm, ein und demselben Wort unzählige Bedeutungen und Deutungsweisen zuzuordnen. Da orte ich eine Differenz zwischen der sprachlichen und der leistungsmässigen Meisterhaftigkeit der hiesigen Behörden. Das ist nicht zynisch. Schliesslich leben wir im Süden.

Als Schwyzerdütsch sprechender Ausländer beisse ich mir an dieser verflixten Vokabel die Zähne aus. Sie schafft es, mich der Lächerlichkeit auszusetzen. Neun einfache Buchstaben machen aus mir den Sprachclown. Das mag ich nicht.

Wir sind im Jahr 2006. Einen unserer Weine taufen wir auf den Namen «Le Quotidien». Kein Weinbauer würde seinen Wein «Quotidien» benennen. Und kein französischer Weinliebhaber vermutet hinter «Le Quotidien» einen Wein. Heimtückisch haben wir dem Begriff eine neue Bedeutung zugeordnet. Unterhalte ich mich jetzt mit Michel über den «Quotidien», ahnt kein Franzose wovon wir sprechen. Ihr Unverständnis und die fragenden Blicke lassen mich jeweils Schmunzeln. Jawohl, wir haben den Spiess umgedreht. Für einen kleinen Augenblick liegt die Unkenntnis der Sprache bei den Einheimischen. Der Sprachclown steht auf der anderen Seite :-) !

Das ist die Geschichte unseres «Le Quotidien». Gleichsam wie sein Name, erlaubt auch der Wein vielseitige Deutung. Diese aufzuspüren und zuzuordnen, dazu lade ich Sie herzlich ein. Bei dessen Genuss und in Anbetracht seiner Entstehungsgeschichte, wird sich auch Ihr Herz und Geist ein leises Schmunzeln nicht verkneifen können. Greifen Sie herzhaft zu. Wohltuendes Schmunzeln ist die Massage der Seele.

Bildlegende:
Winterstimmung! Bei Tagesanbruch herrscht eisige Kälte. Die Rebe schläft. Die eingesäten Brachflächen leuchten in sattem Grün. Der Winter in Fenouillet ist eisern und hart. Er verleiht unserem Weingut Sanftheit und wohltuende Ruhe.

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