Die Geschichte des Bio-Labels

Erzählt von Yvette Schuler

«Sind Eure Weine Bio»? Diese Frage beantworte ich immer mit «Ja, allerdings ohne Zertifikat». Damit fangen die Fragen erst richtig an. Bio ohne Zertifikat, was genau bedeutet das? Die Antwort darauf findet sich in den Anfängen unseres Weingutes.
Mit dem Kauf von Fenouillet vor 25 Jahren stellt sich meinen Eltern die Frage der Bewirtschaftungsform. Damals macht der Weinberg einen verwahrlosten Eindruck. Unsere Vorgänger betreiben industrielle Produktion. Sie beliefern die Genossenschaftskellerei. Mit minimalen Kosten und Aufwand trimmen sie die Rebstöcke auf Höchstleistung. Grossflächige Rebenteppiche in der Ebene erleichtern die Arbeit. Der hemmungslose Einsatz von Kunstdünger sorgt für ausreichendes Nährstoffangebot. Schädlingen wird mit Insektiziden der Garaus gemacht. Hartnäckige Unkräuter hält man mit Herbiziden in Schach. Den gefürchteten Pilzkrankheiten wird mit systemischen Spritzmitteln zu Leibe gerückt. Während vieler Jahre verwehrt Menschenhand dem kleinen Paradies sein natürliches Gleichgewicht. Maximaler Ertrag ist die Devise. Aufgrund der klimatischen Bedingungen sind in Fenouillet maximale Erträge jedoch nicht möglich. Es ist höchste Zeit die Marschrichtung rigoros und konsequent zu ändern.

Wir roden erschöpfte, an ungeeigneter Lage gepflanzte Rebenparzellen. Die Böden dürfen sich da während mehreren Jahren ausruhen. Heute dienen sie als Weide für unsere Raïole-Schafe. Die Fläche neuer Parzellen beschränken wir auf max. 1.5 ha. Ihre Lage wird sorgfältig ausgewählt und sie werden in die Garrigue eingebettet. Deren Vegetation wiederum schützt die Reben, trägt zu ihrem Wohlbefinden bei und sorgt für unterschiedliche Mikro Klimata. Und wovon ernährt sich der Rebstock? Alle paar Jahre bringen wir Kompost aus. Während der Wintermonate sorgt unsere Schafherde für natürliche Düngung. Aufwändige Bodenbearbeitung ersetzt die chemischen Unkrautvertilgungsmittel. Mit der Verwirrmethode bekämpfen wir die Schädlinge, ohne dabei die Nützlinge zu gefährden. Jetzt bleiben nur noch die Pilzkrankheiten. Hier hilft uns das Klima. Hitze und Trockenheit verringern das Infektionsrisiko. Zur Bekämpfung des Mehltaus kommen, wie bei unseren Bioweinbau-Kollegen, Kupfer und Schwefel zum Einsatz.

Mit dieser Bewirtschaftungsform steht uns die Türe zum Bio-Label bereits seit Jahren weit offen. Aus ganz persönlicher Überzeugung sind wir seit 25 Jahren nachhaltig unterwegs. Die Verantwortung für unser Tun und für die getroffenen Entscheidungen lässt sich nicht durch ein Label interpretieren. Wir bevorzugen den direkten Kontakt mit Euch, liebe Kundinnen, liebe Kunden. Erst dieser direkte Kontakt ermöglicht es, Euch zuverlässig und wahrhaftig zu berichten, was wir machen. Das dadurch entstehende Vertrauen kann durch ein Zertifikat nicht ersetzt werden. In diesem Bewusstsein haben wir bis anhin auf die Bio-Klassifizierung verzichtet.

Unsere Weine des Jahrgangs 2022 werden erstmals das Bio-Label tragen. Wir haben uns für das Zertifikat entschieden. Hinter unserem Entscheid stehen die Umwälzungen im Wein-MARKT! Der Verbrauch sinkt. Die Konsumgewohnheiten ändern sich. Die Angebotsvielfalt ist kunterbunt und unüberschaubar. Der Online-Verkauf «ersetzt» den zwischenmenschlichen Kontakt.

Bio wird in Frankreich zur Regel. Frankreich ist mittlerweile Wein-Bioland Nr.1 weltweit. Ohne Bio-Label geht im französischen Weinmarkt gar nichts mehr. Die Bedeutung der Labels ist entscheidend und unumgänglich. Ein Zertifikat wird zum Platzhalter des persönlichen gegenseitigen Vertrauens. Ein Zeichen unserer Zeit?

Wie dem auch sei! An unserer Arbeitsweise in Rebberg und Keller mussten wir nichts ändern. Seit eh und je erfüllen wir die Bio-Norm. Somit ist auch die Qualität unserer Weine unverändert: Authentisch, charakterstark und naturbelassen. Ab Jahrgang 2022 einfach mit einem Bio-Zertifikat auf dem Flaschenkleid.